Führen auf Distanz

Im Zuge der Digitalisierung steht auch die Arbeitswelt vor einer fundamentalen Veränderung. Nicht zuletzt hat die momentane, pandemische Krisensituation auch dem Führen auf Distanz eine neue Dimension verliehen und die Entwicklungen katalysiert. Es gilt, aus dieser Zeit Erkenntnisse in Bezug auf Flexibilität, Motivation, Regulation von Gefühlen sowie Eigenverantwortung für die physische und psychische Gesundheit zu gewinnen. Auf diese disruptiven Veränderungen im Arbeitsalltag sollte von Mitarbeitenden wie auch von Führungskräften mit höchster Flexibilität reagiert werden.

 

Einfluss der Führung auf die Gesundheit

Führung als wichtiger Gesundheitsfaktor bedeutet im Umkehrschluss, dass Gesundheit ebenfalls als Faktor der Führung zu betrachten ist.

Die neuen Herausforderungen bedürfen einer schnellen Anpassungsfähigkeit von Mitarbeitenden und Führungskräften. Der Führungsstil kann gerade in diesem Zusammenhang gesundheitsförderlich und motivationssteigernd aber eben auch hemmend wirken. Die Führungskraft sollte einen Wechsel von der vor Ort eher direktiven Haltung hin zu einer mitbestimmenden, unterstützenden Qualität anstreben (Servant Leadership). Gesunde Führung beinhaltet mehr denn je die psychosoziale Berücksichtigung der Arbeit. Daher wird in der Gefährdungsbeurteilung für psychische Belastungen das Führungsverhalten stets mitbetrachtet. Führungskräfte sollten grundsätzlich und im Speziellen auf Distanz viel Zeit in die Kommunikation mit den Mitarbeitenden investieren und ihre Grundbedürfnisse weitestgehend befriedigen (Neuroleadership).

 

Führungskraft als Krisenmanager

Die hohen Herausforderungen der Mitarbeiterführung werden in Krisensituationen bzw. auf Distanz (virtuell) zusätzlich erhöht.

Während im Normalbetrieb überwiegend das Management von Arbeits- und Organisationsabläufen im Vordergrund stand, rücken in Krisensituationen andere Schwerpunkte und Verantwortungen in den Fokus.

Als Führungskraft sollen Sie auf neue Situationen schnell und richtig reagieren. Dazu zählt die schnelle und qualitative Organisation der Logistik genauso wie das Kümmern um beunruhigte Mitarbeitende, um Ängste weitestgehend zu zerschlagen und eine positive Zukunftsprognose zu vermitteln.

Organisatorisch und emotional sollte ein Gefühl des „gemeinsamen Bewältigens“ aufgebaut werden, um die Sorgen der Mitarbeitenden in Bezug auf die Sicherheit ihres Arbeitsplatzes (Zwangsurlaube, Kurzarbeit oder sogar Kündigungen) in Chancen umzuwandeln und die Loyalität, das Vertrauen und die Motivation aller Beteiligten zu steigern. Im Optimalfall geht die Organisation gestärkter und besser aufgestellt aus der Ausnahmesituation heraus als sie hineinging. Um das zu erreichen, sollten verschiedene Rahmenbedingungen geschaffen werden. Dazu zählt die Etablierung bzw. das Anpassen eines Notfallplans, die Bildung eines Krisenstabes und das Erstellen und Umsetzen von Checklisten und Absprachen für das Arbeiten auf Distanz (welche Tätigkeiten können aus der Ferne realisiert werden, welche technischen Voraussetzungen müssen geschaffen werden, wie können Arbeitszeiten erfasst und Leistungserbringung kontrolliert werden etc.?).

 

Arbeiten Im Homeoffice

Das Arbeiten im Homeoffice stellt an Mitarbeitende und Führungskräfte neue Herausforderungen, bietet aber auch Chancen.

Auch wenn der überwiegende Teil der Belegschafft meist das Arbeiten von Zuhause als wünschenswert empfindet, wird ein Teil der Arbeitnehmer das Homeoffice prinzipiell ablehnen, da sie Arbeit und Privatleben als zwei Bereiche ihres Lebens prinzipiell bewusst trennen wollen. Darüber hinaus kann das Arbeiten im Homeoffice durch räumliche und technische Limitierungen Barrieren bilden und gerade wenn es parallel um Kindesbetreuung und/oder Pflege von Familienangehörigen geht, Beschäftigte überfordern.

Ein Großteil der Beschäftigten berichtet allerdings von größerer Produktivität und verbesserter Work-Life-Balance. Das liegt an größerer Autonomie der Mitarbeitenden, konzentrierterem Arbeiten von zu Hause aus sowie an der Zeitersparnis durch das Wegfallen des Arbeitsweges.

Allerdings kann zu viel Autonomie auch Überforderung verursachen (Autonomieparadox). Genauso können digitaler Präsentismus sowie individuelle Unterschiede im Umgang z.B. mit digitalen Konferenz-Tools (Zoom-Fatique) auch zu negativen Effekten auf die Leistungsfähigkeit und die Gesundheit der Beschäftigten führen. Die Führungskraft muss daher darauf achten, transparente Regeln aufzustellen, um die Bedürfnisse und die Gesundheit aller Beteiligten zu sichern.

Für weitere Informationen rund ums Thema Homeoffice besuchen Sie bitte unsere Website (letztes Thema unten auf der Seite)

 

Kommunikation, Mitarbeiterbindung und Leistungserbringung

Zum Arbeiten im Homeoffice gehört nicht nur die Schaffung von Rahmenbedingungen und die Befähigung der Mitarbeiter hierzu, sondern auch die Überlegung, wie die Zusammenarbeit gestaltet werden soll.

Aufgrund der Tatsache, dass in Krisenzeiten plötzlich und ungeplant viele Mitarbeiter im Homeoffice arbeiten (müssen), muss sich die Führungskraft noch mal im Besonderen Gedanken machen, wie sie mit den Mitarbeitern kommunizieren will, welche Erwartungen sie an die Mitarbeiter hat, wie die Leistungskontrolle erfolgen soll und wie sie die Mitarbeiter emotional unterstützen kann.

Durch den Führungsstil Neuroleadership wurde gezeigt, dass Mitarbeitende menschliche Bindungen benötigen. Durch zu wenig Kontakt mit Kollegen und Führungskraft droht soziale Verarmung. Fehlende Reflektion von Mimik und Gestik kann zu Missverständnissen führen. Daher sollten in digitalen Meetings auch immer aktuelle Stimmungen und Arbeitsbelastungen thematisiert werden. Das Führen auf Distanz verlangt von der Führungskraft daher eine gute Regelkommunikation, welche den Beschäftigten auch Sicherheit und Verbundenheit bietet. Um Missverständnisse, Unsicherheiten und Misstrauen zu erkennen und darauf adäquat reagieren zu können, sollte die Führungskraft im virtuellen Raum diese Punkte gezielt nachfragen.

Ein wichtiger Bestandteil der Führung auf Distanz ist die Wahl des richtigen Kommunikationsmittels. Für dringende Themen mit komplexen Inhalten werden nach dem Media-Richness-Modell Videokonferenzen empfohlen. Themen mit Dringlichkeit aber ohne Komplexität des Sachverhaltes sollten demnach per Chat besprochen werden.

Es müssen Regeln vereinbart werden, um die Zeiten der Erreichbarkeit und die Kommunikationswege zu definieren. Für die Erledigung von Aufgaben kann vereinbart werden, dass Mitarbeitende auch über die Kernarbeitszeit hinaus bzw. am Wochenende Aufträge abarbeiten, was vor allem für Mitarbeiter mit Kindern eine Erleichterung darstellt.

Verabredet werden muss auch, wie mit Anfragen, Ad-hoc-Aufträgen und E-Mails umgegangen werden soll (In welchem Zeitraum sollten diese erledigt werden, wann kann der Adressat mit einer Antwort oder dem Ergebnis rechnen? Usw).

Die Kommunikation auf Distanz in Krisensituationen muss unbedingt auch Emotionen erfassen. Ein Kontakt sollte mit der Frage: „Wie geht es?“ beginnen, um die aktuelle Gefühlslage des einzelnen Mitarbeiters oder des Teams in Erfahrung zu bringen. Anschließend kann besprochen werden, welche technischen, logistischen, organisatorischen oder sonstigen Probleme aufgetreten und zu lösen sind.

Zur Kontrolle der Leistungserbringung bzw. als Leistungssteuerungselement hat sich das Führen über Ergebnisse und Ziele (Management by Objectives MBO) etabliert.

In Zeiten, in denen Homeoffice zum Teil gezwungenermaßen praktiziert wird, eröffnen sich neue Möglichkeiten für die Interpretation von MBO. Bei vereinbarten Homeoffice-Arbeitstätigkeiten ändert sich auch in Krisenzeiten wenig, sofern die Arbeitsaufträge gleich bleiben.

Anders ist die Situation für Führungskräfte und Mitarbeiter, die ihren Arbeitsauftrag im Homeoffice aufgrund der neuen Situation nur bedingt erfüllen können. Aber auch hier können neue und kreative Möglichkeiten der Leistungserbringung und eine andere Art der Wertschöpfung entstehen.

Wann, wenn nicht jetzt, hat man Zeit, all das zu tun, was man schon immer mal machen wollte, wenn perspektivisch Zeit vorhanden ist. Jetzt ist die Gelegenheit dazu: Ausmisten und aufräumen der E-Mail-Postfächer, neue Ordnerstrukturen schaffen, den PC aufräumen … Welche Idee wollte schon immer mal zu Papier gebracht werden? Wie kann man Prozesse optimieren und Arbeitsabläufe verbessern? Davon kann ein Unternehmen auch nach der Krise profitieren.

Verhaltensempfehlungen für Führungskräfte

Führungskräfte sollten Selbstverantwortung und Selbstführung fördern und die Vernetzung vorantreiben. Sie sollten in diesen Umgebungen als Mentoren und „Ermöglicher“ fungieren.

Da es bei der virtuellen Führung schwieriger ist, Vertrauen herzustellen, sollte die Führungskraft als Vorbild agieren und den Mitarbeitenden stets einen Vertrauensvorschuss geben. So kann Offenheit und Transparenz vorgelebt werden. Dieses Vertrauen gleicht die Distanz aus und birgt zusätzliches Poten­zial, aber auch Anforderungen. Vertrauen geht mit Verlässlichkeit einher weswegen Zusagen von der Führungs­kraft und auch vom Mitarbeitenden eingehalten werden müsse.

Neben den Handlungsspielräumen benöti­gen Menschen aber auch Anerkennung und das Gefühl, dass sie nicht allein sind und auch Unter­stützung bekommen können. Durch einen regelmä­ßigen Austausch und die Kommunikation ist dies mit virtuellen Mitteln gut umsetzbar. (z.B. durch tägliche („Dailies“) oder wöchentliche („Weeklys“) Besprechungen)

Führungskräfte sind im virtuellen Raum das Binde­glied zwischen der Organisation und den Mitarbei­tenden bzw. dem virtuellen Team. Interessen und Anliegen sollten in beide Richtungen getragen werden. Neben einer gut strukturierten Regelkom­munikation unterstützen entsprechende Präsentati­ons- und Moderationskompetenzen mit digitalen Medien.

Nicht zuletzt sollten Führungskräfte sich auch die gesund selbst führen: Nur wer sich selbst gesund führen kann, der kann auch andere gesund führen.